Führungskräfte-Entwicklungsprogramme

Carsten Held • 9. Juli 2025

Worauf es bei Gestaltung und Auswahl wirklich ankommt

Führungstrainings kosten – und zwar richtig. Aber liefern sie auch den versprochenen Mehrwert? Studien sagen: Ja – aber nur, wenn sie richtig gemacht sind.
Der Großteil der HR-Ausgaben für innerbetriebliche Weiterbildung der Mitarbeiter wird für Führungskräfte aufgewendet. Glücklicherweise ist dies nicht unbegründet, den Metastudien zeigen durchaus beachtliche Effektstärken (von durchschnittlich über .6): Investitionen in Wissen und Fähigkeiten von Führungskräften sind also betrieblich lohnend.

Doch worauf sollten HR-Experten bei der Vergabe von Führungskräfte-Trainings
 bzw. der Auswahl eines Führungskräfte-Trainers achten?

Eine gute HR-Abteilung braucht hierzu „nur“ in die Schublade zu greifen und dann eine entsprechende Liste herauszuziehen. Doch die Erfahrung lehrt, dass selbst sehr gute HR-Abteilungen eine solche Liste schlichtweg nicht (immer) haben! Allzu oft entscheiden Hörensagen, Bauchgefühl oder der schöne Webauftritt eines Trainers. Doch das reicht nicht – zumindest nicht, wenn man Wirkung erzielen will.

Was sagt die Wissenschaft?
In der Literatur findet man zur Konkretisierung des Training-Erfolgs regelmäßig die folgenden Kriterien (im Original bei Kirkpatrick zu finden):
  1. Rückmeldungen der Teilnehmer
  2. Lernerfolg
  3. Verhaltensänderung / Transfer in die tägliche Praxis
  4. (messbare) Leistungssteigerung
Spätere Studien belegten, dass gerade die unteren beiden Stufen – für die Praxis – kaum relevante Indikatoren darstellen. Zur Klarstellung und in Klartext: Teilnehmer nach einem Seminar, Training oder Workshop (oft standardisiert mit Antworten zum Ankreuzen) zu befragen, wie die Veranstaltung denn so war, ist nicht wirklich die Mühe wert! Doch was machen so ziemlich alle Anbieter, die etwas auf sich zählen? Und worauf verlassen sich sowohl die Anbieter selbst als auch HR-Abteilungen, welche Mitarbeiter entsenden? Richtiiiig: Auf von Teilnehmern im Nachgang ausgefüllte Standard-Evaluationsbögen. Dabei weiß die Wissenschaft, dass deren Aussagekraft höchstens für ganz schlechte Veranstaltungen etwas taugt. 

Ziemlich sicher hat jeder von uns diese Bögen nach einem 2 oder 3 Tages-Seminar oft genug in aller letzter Minute (der Dozent hat zwar noch irgendetwas erzählt, aber die Unterlagen waren schon alle weggepackt und jeder wollte nur noch seinen Zug oder das Taxi zum Flughafen erreichen) noch schnell mit Kreuzchen versehen. Wir alle haben eigene Mitarbeiter nach dem Seminar schon befragt, wie es denn war, und die Rückmeldungen beginnen alle immer recht flach und wohlwollend. Nur bei konkreten Rückfragen kommt etwas Licht ins Dunkel… Aussage-schwächer geht´s kaum; das Konzept der sozialen Erwünschtheit lässt grüßen!
Ähnliches wissen wir zur zweiten Kategorie „Lernerfolg“ zu sagen: Das Abfragen von Fakten oder auch das Beantworten von Transfer-Fragen ist in Schule, Studium und Weiterbildung ein oft eingesetztes Mittel; genauer, das einzige. Aber auch hier bleibt der nachhaltige Erfolg oft aus. (Verkürzt lässt sich das mit dem Schlagwort Bulimie-Lernen charakterisieren.) Erst auf den Stufen 3 und 4 können wir die Qualität eines guten Trainings einigermaßen sicher begutachten. Doch das ist mit (zusätzlichem) Aufwand verbunden… Dass die Einsparung dieses Aufwandes jedoch doppelt und dreifach den Lernerfolg und Lerntransfer ausbremst, scheint kaum zu interessieren… Somit werden munter weiter Evaluationsbögen am Seminarende verteilt und ausgefüllt oder scheinbar Qualität mittels einer Abschlussprüfung abgebildet…

Betriebliche (Weiter-)Bildung hat das primäre Ziel, dass das dadurch Erworbene auch praxiswirksam zum Nutzen der Firma eingesetzt wird. Diese Praxiswirksamkeit lässt sich aber nicht durch Evaluationsbögen oder Abschlusstests nachweisen. Vorgreifend auf Stufe 4 lässt sich verkürzt so darlegen: Wenn ein Unternehmen ohne betriebliche (Weiter-)Bildung 1 Mio Umsatz (oder Gewinn) ausweist, dann sollte es mit betrieblicher (Weiter-)Bildung 1 Mio Umsatz (oder Gewinn) plus Kosten der Weiterbildung plus x erzielen. Denn ohne dieses Plus lohnt sich das Investment schlichtweg nicht. Etwas BWL-lastiger formuliert: betriebliche (Weiter-)Bildung muss einen messbaren ROI – Return on Investment – liefern. Der Teufel steckt natürlich im Detail – nicht alle Trainings sind gleich und manchmal kommen Mitarbeiter auch aus eher persönlichen Vorlieben heraus oder im Zuge persönlicher Anerkennung in den Genuss von Trainings. Aber sind ihre HR-Vertreter auf Stufe 4 ggü. der Geschäftsleitung regelmäßig in der Lage, nachweisen zu können, erfolgreich aus- und weitergebildet zu haben? Warum nicht – und wie weit davon entfernt sind ihre HR-Experten?
Wem diese ROI-Sache nicht ganz geheuer erscheint, sollte zumindest eine Verhaltensänderung nach einem Training feststellen können bzw. wollen. Dies kann durch Beobachtung und Befragung sowohl unstrukturiert – z.B. ein kurzes, direktes Gespräch - oder mit klaren Vorgaben standardisiert – z.B. mittels Fragebogen zu spezifischen Verhaltensweisen an mehrere betroffene Mitarbeiter verteilt - erfolgen.

Der Königsweg: Systematisch messen – und vergleichen!
Ein wichtiger Schritt laut Kirkpatrick besteht in der Erstellung von Vergleichsgruppen. So sollte doch gerade auf den Stufen 3 und 4 zumindest im direkten Vergleich zusätzlich aus- und weitergebildete Mitarbeiter im Verhalten oder gar messbaren Leistungsindikatoren besser abschneiden als solche ohne zusätzliches Training. Wobei ich an dieser Stelle unbedingt nochmals die bereits im ersten Satz angedeutete Lanze für solche Investitionen brechen möchte: Selbst wenn der Vergleich nicht positiv zu bewerten wäre, sollte die Konsequenz nicht darin liegen, keine Trainings mehr durchzuführen, sondern bessere!
 
Was ein gutes Führungskräfte-Training ausmacht
Folgend wird konkret für das Thema Führungskräfte-Weiterbildung dargelegt, auf was HR achten sollte, um Qualität eines Führungskräfte-Weiterbildungsangebotes zu erkennen bzw. sicherzustellen und darüber hinaus auch möglichst hohen Praxistransfer zu gewährleisten. Denn nur wenn das Erlernte auch langfristig in den eigenen Führungsalltag integriert wird und nachhaltig das eigene Führungsverhalten verändert, hat sich die Investition in das Führungskräfte-Training gelohnt. Gutes Leadership-Training umfasst daher gleichermaßen die Vermittlung von Wissen, die Befähigung zu bestimmtem Verhalten und das Anwenden dieser Fähigkeiten.

Die Metastudie von Lacerenza et al. (2017) analysierte 335 Einzelstudien und gibt klare Hinweise, worauf HR achten sollte. Hier die wichtigsten Empfehlungen, um positiven Effekte einer guten Leadership-Weiterbildung abgreifen zu können:
  • Analysieren Sie die konkreten Bedürfnisse der Teilnehmer - Umso genauer die Passung zwischen Teilnehmern und Inhalten, umso besser fühlen sich diese angesprochen und dementsprechend werden höhere Effekte im Lernen und dem nachhaltigen Praxistransfer erzielt.
  • Nutzen Sie das Feedback vorangegangener Maßnahmen – Obgleich ich in meinem letzten Artikel das Konzept der sozialen Erwünschtheit anführte, sollte daraus nicht geschlussfolgert werden, keine Rückmeldungen von den Teilnehmern einzufordern. Im Gegenteil, stellen Sie Absolventen von Trainings gute Fragen und lassen Sie deren Antworten für künftige Trainings (und deren Inhalte sowie Umsetzung) nicht unberücksichtigt.
  • Nutzung unterschiedlicher, sich ergänzender Trainingsmethoden - Reiner Frontalunterricht, ohne Interaktion, Selbstlern-Elementen oder gar Übungsanteilen sind unbedingt zu vermeiden; gerade ein hoher Praxisbezug und somit die Möglichkeit des Einübens von Fähigkeiten und Verhalten in der Praxis sind essentiell für Führungskräfte-Trainings. (Leider erfahre ich immer wieder von – sehr teuren – Trainings gänzlich ohne Praxisanteil. Dann empfehlen sich zumindest Rollenspiele; welche aber bekanntermaßen nicht alle Teilnehmer ansprechen…). Letztlich muss gerade bei Verhaltensändernden Trainings ausreichend Raum+Zeit für Diskussionen vorgesehen werden.
  • Gute Trainer geben Feedback (und gute Teilnehmer verlangen danach) - Wenn wir den eben klargestellten Nutzen von Diskussionen und Praxisbezug inkl. Übung erkennen, dann wird deutlich, wie wichtig Feedback der Trainer an die Teilnehmer ist: es regt die Selbstreflexion und die kognitive Auseinandersetzung an; wirkt korrigierend auf suboptimales Verhalten und bestärkt wünschenswerte Verhaltensmuster.
  • Strecken Sie Trainingseinheiten – geballte Seminare, gar im Sinne eines BootCamps, verringern den Lernerfolg und die Chancen auf langfristige Verhaltensänderungen erheblich; Wissensvermittlung und Übungseinheiten profitieren sehr von über einen längeren Zeitraum gestreckten Trainings (die sog. Cognitive Load Theory – CLT – liefert Ihnen weitere Einzelheiten). Gerade in Bezug auf positive Resultate auf der organisationalen Ebene zeigen sich Vorteile zeitlich gestreckter Programme.
  • Führen Sie die Trainings eher in Präsenz (nicht virtuell) und am Arbeitsort (und nicht „offsite“ in coolen Tagungshotels) durch – virtuelle Trainings stellen erhöhte Anforderungen an die Teilnehmer und Trainer dar und beschränken die Möglichkeiten des informellen Austausches, vor allem aber der praktischen Umsetzung. Während virtuell durchaus Wissen vermittelt werden kann, zeigen Studien, dass ein Transfer (in die Praxis) bei virtuellen Trainings kaum gelingt. Training am Arbeitsort ist vor allem bzgl. höherer Resultate für das Unternehmen relevant, und weniger wichtig bis unbedeutend für Wissensvermittlung und/oder Transfer in die Praxis.
  • Sanktionieren Sie Abwesenheit – die aktive Teilnahme über die gesamte Dauer des Trainings ist Pflicht und selbst in Teilen nicht verhandelbar. Selbstverständlich kann es passieren, dass die Bahn etwas Verspätung hat oder die Parkplatz-Suche ein paar Minuten länger dauerte. Doch hier sind im Zweifel enge Grenzen zu ziehen. Denn selbstverständlich wirkt sich Abwesenheit gerade bei guten Trainings sehr schnell auf Wissen und Transfer in die Praxis aus. Es gibt gewichtige Gründe, warum für ein Training, Workshop oder Seminar eine bestimmte Zeit veranschlagt wird. Nebenbei wirkt es auch nachweislich negativ auf andere Teilnehmer…
Die Ergebnisse guter Führungskräfte-Trainings in Zahlen:
Laut der Metaanalyse von Lacerenza et al. (2017) lassen sich durch gut konzipierte Programme folgende durchschnittliche Effekte erzielen (jeweils im Vergleich zu mittelmäßigen Programmen):
  • +25 % im Wissenserwerb (Lernerfolg)
  • +28 % im Verhaltenstransfer in die Praxis
  • +25 % in der organisatorischen Wirkung
  • Effektstärken von bis zu 0,82 – ein beeindruckender Wert in der Bildungsforschung

Fazit: Qualität entscheidet – und HR hat den Hebel in der Hand
Beachtlich, was gutes Führungskräfte-Training ausrichten kann – und welches Potenzial bei schlechten oder mittelmäßigen Angeboten auf der Strecke bleibt! Wer diese Empfehlungen umsetzt und bei der Auswahl sowie Gestaltung von Führungskräfte-Weiterbildungsangeboten beachtet, spielt künftig in einer höheren Liga. Denn Führungskräfte-Trainings sind kein Selbstzweck. Wenn Sie mit Ihrem Weiterbildungsbudget echten Mehrwert schaffen wollen, setzen Sie auf Qualität – und prüfen Sie Programme systematisch anhand der oben genannten Kriterien. Dann rechnet sich die Investition – für Führungskräfte, HR und das gesamte Unternehmen. 

Also, wie identifiziert und bewertet Ihre HR-Abteilung Führungskräfte-Weiterentwicklungsprogramme? Gibt es vielleicht Optimierungspotenzial?

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