Dark Leadership - Die Dunkle Seite der Führung
...und warum sie nicht ganz so dunkel bleiben muss!
In den letzten Jahrzehnten galten charismatische und transformationale Führung als das Ideal moderner Führung. Doch schon früh warnten teilweise die Gleichen Forscher (wie z.B. Bernard Bass und Jay Conger) davor, dass diese Art von Führung auch eine „dunkle Seite“ hat.
Was, wenn Charisma zur Manipulation wird? Wenn Machtstreben nicht dem Gemeinwohl, sondern dem Ego dient? (Dabei weiß die Wissenschaft, dass gerade Männer anfälliger für egoistisch-geprägten Machtmissbrauch sind, während Frauen Macht eher prosozial nutzen.)
Willkommen in der Welt der destruktiven Führung.
________________________________________
⚠️ Was ist destruktive Führung?
Destruktive Führung ist kein Ausrutscher, kein Burnout, kein schlechter Tag. Sie ist ein wiederkehrendes, bewusstes und höchst-schädigendes Verhaltensmuster, das dem langfristigen Interesse der Organisation und ihrer Mitarbeitenden entgegenwirkt.
Dabei ist sie oft schwer zu erkennen – denn destruktive Führung tarnt sich. Sie tritt charismatisch, zielorientiert, durchsetzungsstark auf. Vorgesetzte erkennen solches Verhalten regelmäßig genau aus diesen Gründen nicht und sind nicht selten überrascht, dann doch davon zu erfahren. Und genau das macht sie so gefährlich. Denn destruktive Führung funktioniert zumindest kurzfristig überraschend gut:
✅ Sie bringt schnelle Entscheidungen
✅ Sie zieht loyale (oder abhängige) Gefolgschaft an
✅ Sie erscheint stark in Krisen
Doch langfristig:
❌ sinkt die Innovationskraft
❌ steigt die Fluktuation
❌ leidet das Vertrauen
❌ verroht die Unternehmenskultur
________________________________________
🕵️ Das toxische Dreieck: Führung, Gefolgschaft und Kontext
Die Forschung von Padilla, Hogan & Kaiser (2007) zeigt, dass destruktive Führung nicht allein durch den Charakter der Führungskraft erklärt werden kann. Vielmehr ist sie das Ergebnis eines toxischen Zusammenspiels:
- Destruktive Führungspersonen – Machtbesessen, manipulativ, impulsiv / Oft mit dunklen Persönlichkeitseigenschaften (Dark Triad)
- Anfällige Gefolgschaft – Unsichere, abhängige oder unkritische Mitarbeitende / Wunsch nach starker Führung oder Zugehörigkeit
- Begünstigende Umgebungen – Unsichere Strukturen, instabile Organisationen / Fehlende Kontrolle, schlechtes HR-Management
Diese Kombination führt zur Normalisierung von toxischem Verhalten – bis es zu spät ist. Es liegt also nicht nur an schlechten Führungskräften, sondern bedarf Mitarbeiter, die sich nicht zu wehren wissen und eine umgebende Struktur, die sowohl das schlechte Führungsverhalten ignoriert als auch schwache bzw. nicht aufbegehrende Mitarbeiter. (Wir hatten diesen Aspekt in einem unserer vergangenen Newsletter - No good Leadership without good Followership - bereits thematisiert: https://www.linkedin.com/pulse/good-leadership-without-followership-starke-gefolgschaft-eqrre)
Wenn wir auf destruktives Führungsverhalten fokussieren, nimmt die sogenannte Dark Triad (Dunkle Triade) einen wichtigen Platz ein. Sie besteht aus drei Persönlichkeitsmerkmalen, die besonders häufig mit destruktivem Führungsverhalten assoziiert werden:
1. Narzissmus
• Großes Bedürfnis nach Bewunderung
• Geringe Empathie
• Überhöhtes Selbstbild
• In Unternehmen: charmant, visionär, aber kaum kritikfähig
➡️ Beispielverhalten: „Ich weiß es besser“, „Ohne mich läuft hier nichts.“
________________________________________
2. Machiavellismus
• Strategisch kalkulierend
• Manipulativ
• Zweck heiligt die Mittel
• Im Management oft effektiv – aber ohne ethischen Kompass
➡️ Beispielverhalten: „Solange das Ziel erreicht wird, ist jedes Mittel erlaubt.“
________________________________________
3. Psychopathie (subklinisch)
• Keine Schuldgefühle, keine Angst
• Oberflächlich charmant, aber emotionskalt
• Risikofreudig und impulsiv
• Im Job oft gefährlich, weil schwer zu durchschauen
➡️ Beispielverhalten: „Wenn jemand dabei untergeht – nicht mein Problem.“
________________________________________
🌗 Zwischen Licht und Schatten: Die helle Seite dunkler Führung
Ein zentrales Problem destruktiver Führung ist nicht, dass sie von Anfang an als „böse“ erkannt wird. Ganz im Gegenteil: Viele ihrer Merkmale zeigen sich anfangs als wirksame, bewunderte oder sogar gewünschte Führungseigenschaften. Erst später offenbart sich ihr destruktives Potenzial. Deshalb lohnt ein genauerer Blick auf die drei zentralen Dimensionen der dunklen Triade – und ihre ambivalente Erscheinung in Organisationen:
Narzissmus: Zwischen Inspiration und Selbstsucht
Narzisstische Führungskräfte wirken häufig zunächst charismatisch, visionär und überzeugend. Sie haben ein starkes Bedürfnis, Großes zu leisten und von anderen bewundert zu werden – was sie antreibt, ambitionierte Ziele zu setzen und hohe Standards zu vertreten.
Auf der hellen Seite zeigen sich:
- Selbstbewusstsein: Narzissten haben oft keine Angst vor Verantwortung. Sie treten entschlossen auf und geben klare Richtung vor.
- Motivationskraft: Ihre Begeisterung kann andere anstecken und motivieren, über sich hinauszuwachsen.
- Strategisches Denken: Sie sind häufig sehr auf Wirkung und Außenwahrnehmung bedacht – was in Positionen mit Repräsentationsfunktion durchaus hilfreich sein kann.
Doch diese Stärken kehren sich schnell ins Gegenteil, wenn sie nicht durch Selbstreflexion oder Feedback reguliert werden. Dann zeigt sich die dunkle Seite:
- Empfindlichkeit gegenüber Kritik
- Überhöhte Selbstdarstellung
- Ausbeutung anderer zur eigenen Profilierung
Die Balance ist entscheidend: Narzissmus kann antreiben – oder das Team zerreißen, wenn nur noch die Selbstdarstellung zählt.
Machiavellismus: Zwischen kluger Strategie und moralischer Kälte
Machiavellistische Führungspersönlichkeiten zeichnen sich durch hohes taktisches Gespür aus. Sie sind meist analytisch denkend, zielorientiert und verstehen es, komplexe Dynamiken politisch zu navigieren.
Ihre helle Seite ist im Management häufig willkommen:
• Strategische Klarheit: Sie denken mehrere Schritte voraus, erkennen Machtverhältnisse und gestalten Organisationen oft effizient.
• Verhandlungsgeschick: In heiklen Situationen finden sie Lösungen, die anderen verborgen bleiben.
• Risikokompetenz: Machiavellisten agieren nicht aus Angst, sondern kalkulieren Nutzen und Risiken nüchtern.
Doch ohne ethischen Kompass kippt diese Fähigkeit in manipulatives Verhalten:
- Zynismus, der jede moralische Schranke ignoriert
- Instrumentalisierung von Menschen als bloße Mittel zum Zweck
- Doppelbödige Kommunikation, die Vertrauen zerstört
In stabilen, geregelten Organisationen kann eine „milde Form“ des Machiavellismus sogar nützlich sein – etwa beim Umgang mit schwierigen Interessenkonflikten. In unsicheren, entgrenzten Kontexten aber wird daraus schnell schädlicher Opportunismus.
Subklinische Psychopathie: Zwischen Furchtlosigkeit und Gefühllosigkeit
Psychopathie im Arbeitskontext zeigt sich selten als extremes, kriminelles Verhalten – viel häufiger begegnet uns die subklinische Variante: Menschen mit hoher Impulskontrolle, gleichzeitig aber geringer Empathie, emotionaler Kühle und hoher Risikobereitschaft.
Ihre hellen Seiten können beeindruckend wirken:
- Krisenresistenz: Sie behalten auch in chaotischen Situationen einen kühlen Kopf.
- Furchtlosigkeit: Entscheidungen werden nicht von Angst bestimmt, sondern von rationaler Einschätzung.
- Durchsetzungsfähigkeit: Sie lassen sich selten von Widerständen aufhalten – das kann Projekte voranbringen.
Aber: Wo keine Empathie, keine Verantwortung und kein Moralgefühl existieren, wird der Nutzen zur Gefahr:
- Unbarmherzige Entscheidungen ohne Rücksicht auf Mitarbeitende
- Grenzüberschreitungen im Umgang mit Macht
- Fehlende Reue bei Fehlverhalten – was Lernen und Veränderung blockiert
Kurz gesagt: Diese Form der Führung wirkt im Ernstfall „funktional“, aber entmenschlicht die Organisation.
________________________________________
💡 Was HR und Führungskräfte jetzt tun können
Destruktive Führung entsteht nicht im luftleeren Raum. Wenn wir über Dark Leadership sprechen, geht es nicht darum, Persönlichkeitsmerkmale per se zu verurteilen. Es geht vielmehr darum, ihre Ambivalenz zu erkennen:
- Führungseigenschaften wie Charisma, strategisches Denken oder emotionale Kontrolle sind wertvoll – aber nicht neutral.
- Ohne Feedback, Werteorientierung und strukturelle Checks kann aus Stärke schnell Machtmissbrauch werden.
- Das Problem ist nicht die Eigenschaft allein, sondern ihr Kontext, ihre Einbettung und ihr Umgang mit Verantwortung.
Hier sind konkrete Schritte, um Organisationen zu schützen und destruktives Führungsverhalten zu kanalisieren:
- Früh erkennen – Persönlichkeitstests verantwortungsvoll nutzen
Persönlichkeitsinventare können helfen, destruktive Neigungen zu erkennen – aber sie müssen kontextsensibel interpretiert werden. - Feedbackkultur etablieren
360°-Feedbacks, Exit-Interviews und Kulturmessungen zeigen auf, wo dunkle Führung wirkt; das Konzept der Psychologischen Sicherheit (siehe Newsletter: https://www.linkedin.com/pulse/psychologische-sicherheit-mut-zur-meinung-und-klmsf) kann hierbei stark entgegentreten. - Führungskräfteentwicklung mit Ethik- und Werte-bezug
Nicht nur Kompetenzen – auch Selbstreflexion, Integrität und Demut müssen Teil jedes Leadership-Programms sein. - Starke HR-Compliance-Strukturen
Toxische Führung gedeiht dort, wo niemand hinsehen will. Deshalb: Whistleblower-Schutz, Vertrauenspersonen, klare Sanktionen.
________________________________________
Fazit
Führung ist nicht per se gut. Je größer die Macht, desto wichtiger die Verantwortung – und die strukturelle Einbettung von Kontrolle, Ethik und Feedback. Je dunkler die Persönlichkeit, desto wichtiger individuelle Verhaltenstrainings und Selbst-Führung.
Die dunkle Seite der Führung ist real. Doch nur wer sie erkennt, kann ihre Dynamiken durchbrechen – und Organisationen schaffen, die nicht auf Angst, sondern auf Vertrauen basieren.
Also, wie identifiziert und bewertet Ihre HR-Abteilung Führungskräfteverhalten? Wie sehr erkennen Sie ggf. Ansätze dunkler Führung in sich selbst?
Wo erkennen Sie Optimierungspotenzial?
Im nächsten – etwas anderen - Newsletter:
"Braucht es HR überhaupt noch? – Zwischen Strategie, Tagesgeschäft und radikalem Wandel"
Podiumsdiskussion in 3 Akten

