Teams - Heilsbringer oder Hype, Motor oder Mythos?

Carsten Held • 12. Juni 2025
Seit Jahrzehnten gelten Teams als das Nonplusultra moderner Organisationsgestaltung. Allerdings nur unter den Unwissenden! Sie stehen für Partizipation, Innovation, Flexibilität und überlegene Performance; vielleicht sogar für Selbst-Organisation. In agilen Modellen wie Scrum ist Teamarbeit sogar strukturell verankert. Doch je verbreiteter ein Konzept wird, desto mehr lohnt sich eine kritische Betrachtung: Sind Teams wirklich der Schlüssel zu besserer Leistung – oder wird ihre Bedeutung überschätzt?

Kennen Sie evidenzbasierte Grundlagen, typische Missverständnisse und praktische Implikationen von Teamarbeit?
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🧠 Glauben wir nicht alle, dass...
  • Teams bessere Problemlösungen hervorbringen?
  • Mitarbeiter in Teams höher motiviert sind?
  • Risiko in Teams besser eingeschätzt wird?
  • heterogene (also diverse) Teams sind besser!
Tja, leider FALSCH gedacht! Und falls Sie das obige nicht bereits wussten, verspüren Sie jetzt womöglich den Drang zu widersprechen. Schnell fallen Ihnen Beispiele aus der eigenen Praxis ein, die doch klar belegen, dass Sie eben doch richtig liegen, nicht wahr?!
Diese Beispiele gibt es – unstrittig. Soweit die gute, versöhnliche Nachricht. Jedoch gibt es eben auch die anderen Beispiele! Die, von denen man nichts hört. Denn sie stören das verfälschte, aber weitverbreitete und allzu harmonische Bild von Teams als Allheilmittel. In Wissenschaft und Forschung hingegen ist schon länger recht unstrittig, dass Teams nicht selten die Entscheidungsqualität senken und/oder die Entscheidungsfindung zeitlich hinauszögern. In Summe, also alle bekannten Beispiele und Experimente berücksichtigend und ohne persönliche Vorlieben und Verzerrungen zeigt sich ein nicht wirklich rossiges Bild. Es gilt beim Thema Teams also, was schon immer und für alles galt: Die Wahrheit liegt in der Mitte und es kommt drauf an! 
(Sie wollen es immer noch nicht wahrhaben oder mehr darüber wissen? Es gibt zwei gute Bücher aus dem Springer Verlag. Bei Interesse einfach melden!)

So richtig sicher in puncto Vorteile von Teams oder Teamarbeit ist sich die Wissenschaft vor allem bei komplexen oder neuen Problemen, wenn also Kreativität und Innovation gefragt sind. Dann übrigens entfaltet auch Diversität seine Stärken.
In vielen anderen Situationen drohen Koordinationsverluste, Gruppendenken, Trittbrettfahrerverhalten, erhöhter Kommunikationsbedarf und erhöhte Konfliktgefahr.
 
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⚠️ Wann Teams nicht sinnvoll sind
Teams werden oft reflexartig gebildet, obwohl sie nicht immer nötig oder sinnvoll sind. Problematisch ist das insbesondere bei:

•    Einfachen Aufgaben, die keine interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordern
•    Hoch spezialisierte Aufgaben, die keine Zusammenarbeit, sondern nach absolutem Expertenstatus verlangen
•    Dringenden Entscheidungen, wo Abstimmung Zeit kostet
•    Hierarchischer Führungskultur, in der Teamarbeit nur simuliert wird
•    Fehlender Teamfähigkeit bei Mitgliedern oder Führungskräften
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🔑 Der Einsatz von Teams sollte strategisch und bewusst erfolgen – nicht als Standardlösung.
Es ist also vor allem die Aufgabe und deren Notwendigkeit oder Eignung für Teamarbeit, die entscheiden. Es sind Organisationsstrukturen und Führungskultur, die den Einsatz und Erfolg bestimmen. Dementsprechend wäre es falsch, einseitig veraltete Strukturen und verkrustete Führungsfantasien für mangelnden Team-Erfolg verantwortlich zu machen. Denn nebst der Aufgabe trägt auch der unreflektierte Glaube an die Allmacht von Teams sowie der übertriebene Zeitgeist beim Thema Selbstorganisation und Laissez-faire nicht zum Erfolg von Teams bei.
Wenn Teams nicht nur irgendwie funktionieren, sondern deutlichen Mehrwert liefern sollen, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein:
1. Die Aufgabe entscheidet

Manche Probleme können gut von einer einzelnen Person gelöst werden, Solange diese relevantes Wissen und notwendige Fähigkeiten besitzt.
2. Klare Ziele & Rollen
Unklare Erwartungen führen zu Unsicherheit. Gute Teams wissen, wer was macht – und warum.
3. Psychologische Sicherheit
Nur wer sich traut, offen zu sprechen, kann kreativ sein und Konflikte konstruktiv lösen (siehe Newsletter https://www.linkedin.com/pulse/psychologische-sicherheit-mut-zur-meinung-und-klmsf).
4. Teams und Diversität – richtig geführt
Unterschiedliche Perspektiven sind dann wertvoll, wenn Kreativität oder Innovation gefordert sind  – aber nur, wenn sie integriert werden und Spielregeln eingehalten werden. Sonst drohen Spannungen. 
6. Gute Führung
Teams brauchen keine Kontrolle, aber strukturgebende Führung – vor allem bei Zielklärung, Feedback, Reflexion und auch Entscheidung.
7. Effektive Kommunikation
Missverständnisse, ungeklärte Erwartungen und fehlende Abstimmung sind häufige Ursachen für Teamversagen. Gerade in diversen Teams ist hierbei zu Beginn der Zusammenarbeit ein erhöhter Kommunikationsbedarf einzuplanen.
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💡 Es ist also ein Mythos, dass Teams immer besser wären als Einzelarbeit. Realität ist, dass Teams besonders bei kreativen und innovativen oder hoch komplexen Aufgaben stark sind. Doch wie viele Mitarbeiter im Unternehmen arbeiten (ständig) auf innovativen oder kreativen Hochtouren? Wie oft sind Aufgaben im Unternehmen so komplex und neuartig, dass diese nur im Team gelöst werden können?

Wird also der Begriff des Teams auch in Ihrem Unternehmen inflationär gebraucht und übertrieben verherrlicht? Wäre es vielleicht angebracht, eine differenzierte Haltung einzunehmen, um damit Ziele nicht nur effektiver, sondern auch effizienter zu erreichen?


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